5 Fragen an Katharina Gerdes
Im vergangenen Jahr erhielt Katharina Gerdes eine besondere Auszeichnung, nicht vergeben von einer Jury, sondern von den Mitgliedern der Arge Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein, die sie mit ihrem Votum zur »Anwältin des Jahres 2023« gekürt hatten. Den Preis erhielt sie im Rahmen des Deutschen Insolvenzrechtstags am 22.03.2023.
1. Frau Gerdes, Sie wurden 2023 zur "Anwältin des Jahres" im Bereich Restrukturierung und Insolvenz gewählt. Was zeichnet Ihre Arbeit besonders aus?
„Meine Arbeit konzentriert sich auf die Schnittstelle von Gesellschafts- und Insolvenzrecht, mit einem besonderen Fokus auf Distressed M&A und Insolvenzpläne. Diese Schnittstellenkompetenz mit der Erfahrung aus mittlerweile 16 Berufsjahren und einer Vielzahl von betreuten Transkationen und Sanierungen über alle Unternehmensgrößen hinweg, ist am Markt nicht häufig zu finden. Zuletzt habe ich den Verkauf der insolventen Galeria Karstadt Kaufhof GmbH über einen Insolvenzplan einschließlich eines Rechtsformwechsels in eine luxemburgische Sàrl rechtlich beraten. Mit der genannten Auszeichnung wurde aber auch mein Engagement beim Distressed Ladies -Women in Restructuring e.V. gewürdigt und mein Einsatz für die Stärkung von weiblichen Professionals in der Restrukturierungs- und Insolvenzszene insgesamt.“
2. Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell im Markt für Unternehmensrestrukturierungen und -verkäufe aus Insolvenzverfahren und wie reagieren Ihre Mandanten und Sie als Beraterin darauf?
„Der Markt für Distressed M&A ist zurzeit schwierig. Es ist zwar einiges an potentiellen Targets am Markt, aber die Investorenseite ist zurückhaltend. Dies liegt vor allem am veränderten wirtschaftlichen und teilweise auch politischen Umfeld seit der Corona-Pandemie und dem Überfall Russlands auf die Ukraine mit den bekannten wirtschaftlichen Folgen. Als Reaktion sehen wir, dass mehr Zeit in die Strukturierung und Validierung von Geschäftsmodellen der sanierten Unternehmen gesteckt werden muss, damit ein Verkauf gelingen kann. Dies kann zum Beispiel durch eine mittelfristige Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter erfolgen, wenn ein Verkauf des sanierten Unternehmens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens im ersten Anlauf nicht gelingt. Das Geschäftsmodell wird dann quasi durch den Insolvenzverwalter erst einmal für potentielle Investoren getestet. Im Falle einer längeren Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter nähern sich die Bedingungen für die Verhandlungen im M&A Prozess graduell wieder denen im „normalen“ M&A an.“
3. Hätten Sie sich nicht für diese berufliche Laufbahn entschieden, welcher Berufsweg wäre für Sie vorstellbar gewesen und/oder wo würden Sie sich künftig noch gerne einbringen?
„Ich wollte schon immer Anwältin werden und habe bereits mein erstes Schülerpraktikum in einer Anwaltskanzlei absolviert. Wenn ich einen anderen Weg hätte einschlagen müssen, könnte ich mir heute auch etwas Handwerkliches gut vorstellen – vielleicht als Möbeltischlerin.“
4. Welche Branchen- oder sonstigen berufsspezifischen Netzwerke sind in Ihrem Bereich besonders wichtig und wo sind Sie ggf. selbst aktiv?
„In der Restrukturierungsbranche sind belastbare Netzwerke sehr wichtig. Ein Netzwerk, in dem ich selbst aktiv bin, ist der Verein Distressed Ladies – Women in Restructuring e.V., deren Mitbegründerin und (derzeitige) Vorstandsvorsitzende ich bin. Diese Initiative zählt mittlerweile über 100 Mitglieder und hat das Ziel, Frauen in der Restrukturierungs- und Insolvenzbranche zu fördern und sichtbarer zu machen. Darüber hinaus engagiere ich mich seit Anfang 2024 im Insolvenzrechtsausschuss der BRAK, wo ich aktiv an der Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich Restrukturierung und Insolvenz mitwirke.“
5. Was waren die größten Learnings Ihrer bisherigen Karriere und welche Tipps würden Sie neuen Kollegen bzw. Ihrem jüngeren Ich heute mit auf den Weg geben?
„Ich finde es wichtig, immer einen offenen Blick zu haben und Fragen gerne auch aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten – das schützt vor Betriebsblindheit. Einen regelmäßigen Blick über den Tellerrand ermöglicht mir u.a. das BRL Forum, eine jährliche Veranstaltung zu aktuellen Themen an der Schnittstelle von Gesellschaft und Wirtschaft, die ich 2017 in Leben gerufen habe und seitdem inhaltlich verantworte.
Meinem jüngeres Ich würde ich davor warnen, die Bedeutung von Egos und persönlichen Befindlichkeiten im beruflichen Umfeld zu unterschätzen.
Jungen Kollegen und Kolleginnen gebe ich gerne mit auf den Weg, dass man nicht früh genug anfangen kann, sich ein eigenes berufliches Netzwerk aufzubauen. Dieses ist sowohl für den fachlichen Austausch wertvoll als auch für den Aufbau des eigenen Geschäfts zwingend notwendig. Bei der Anwaltsausbildung an den Unis und auch in den Kanzleien wird hierauf nach meiner Wahrnehmung zu wenig hingewiesen und zu wenig Möglichkeiten zum Vernetzen geboten.“