Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs bei Gesellschafterfremdfinanzierung einer im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft
Zinsen aus Darlehen eines Steuerpflichtigen an eine ausländische Kapitalgesellschaft, an der er mittelbar zu mindestens 10 % beteiligt ist, sind aus dem Anwendungsbereich der Abgeltungssteuer für Kapitaleinkünfte ausgeschlossen.0
Hintergrund:
Für bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht im Betriebsvermögen des Empfängers vereinnahmt werden, findet im Rahmen der sogenannten Abgeltungssteuer ein besonderer Tarif in Höhe von 25 % Anwendung. In der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes gilt dieser gesonderte Steuertarif u.a. dann nicht, wenn Zinserträge aus Darlehensforderungen gegenüber einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist. Dies gilt auch, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist. Anstelle der Abgeltungssteuer kommt es zur Besteuerung nach dem regulären Tarif, d. h. mit dem individuellen Steuersatz des Steuerpflichtigen.
Sachverhalt:
Die Kläger sind Ehegatten und werden für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war Alleingesellschafter der A-BV, die ihrerseits als Alleingesellschafterin an der B-BV beteiligt war. Die A-BV und die B-BV sind Kapitalgesellschaften niederländischen Rechts, die im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung haben. Der Kläger war bei der B-BV als Geschäftsführer angestellt. Aus der Gewährung mehrerer Darlehen an die B-BV flossen ihm im Streitjahr Zinsen in Höhe von insgesamt EUR 410.000 zu. In ihrer Steuererklärung erklärten die Kläger die Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Abgeltungssteuer unterliegen. Das Finanzamt unterwarf die Zinserträge dagegen der tariflichen Einkommensteuer und begründete dies mit der mittelbaren Beteiligung der Kläger an der B-BV, die größer als 10 % gewesen ist. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers sei die Regelung nicht auf Inlandssachverhalte beschränkt, sondern auch im Fall einer ausländischen Kapitalgesellschaft als Darlehensschuldnerin anzuwenden. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Entscheidung:
Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück. Der Kläger ist aufgrund seiner Beteiligung in Höhe von 100 % an der A-BV als eine der A-BV nahestehende Person anzusehen; die A-BV war wiederum zu mehr als
10 % an der B-BV beteiligt. Die Tatsache, dass die B-BV als ausländische Schuldner-Kapitalgesellschaft weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hatte, hindert die Anwendung der tariflichen Besteuerung nicht. Die Verwendung des Begriffs "Kapitalgesellschaft" im Wortlaut der Norm zielt nicht auf ein rein nationales Verständnis ab, sondern grenzt den Anwendungsbereich der Norm auf Gesellschafterdarlehen und ähnliche Fälle ein. Eine einschränkende Auslegung der Regelung auf rein inländische Sachverhalte sah der Bundesfinanzhof wie schon die Vorinstanz nicht als geboten an. Somit waren die Voraussetzungen für die Anwendung der Abgeltungssteuer in der im Streitjahr geltenden Fassung nicht erfüllt.
Hinweis:
Die im Urteilsfall strittige Ausnahmeregelung (Versagung der Abgeltungssteuer und tarifliche Besteuerung) wurde mit dem Jahressteuergesetz 2020 geändert. Bei einem nach neuer Rechtslage ausgegebenen Darlehen (Gewährung nach dem 31. Dezember 2020) kommt die tarifliche Besteuerung nur noch zum Tragen, wenn die Zinserträge bei der Schuldner-Kapitalgesellschaft zu Betriebsausgaben führen, die in Zusammenhang mit in Deutschland steuerpflichtigen Einkünften stehen. Die im vorliegenden Urteilsfall gegebene Konstellation würde nach neuem Recht also zur Anwendung der Abgeltungssteuer führen, da die B-BV als ausländische Kapitalgesellschaft nicht über in Deutschland der Besteuerung unterliegende Einkünfte verfügte. Zu beachten ist, dass es für Alt-Verträge (Gewährung vor dem 1. Januar 2021) bis einschließlich dem Veranlagungszeitraum 2023 bei der alten Rechtslage bleibt. Erst ab dem Veranlagungszeitraum 2024 ist auch für Alt-Verträge die neue Rechtslage anzuwenden.