Gewinnerzielungsabsicht bei gezielter Herbeiführung von Veräußerungsverlusten
Veräußert ein Gesellschafter einer GmbH einen Teil seiner Geschäftsanteile zu einem Preis, durch den er bewusst Verluste generiert, so erstreckt sich die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht auf die gesamte Beteiligung an der Gesellschaft und nicht nur auf den veräußerten Geschäftsanteil. Wird der Veräußerungspreis fremdüblich ermittelt, ist die gewählte Gestaltung nicht rechtsmissbräuchlich.
Hintergrund:
Die Beteiligung des Gesellschafters einer GmbH kann aus mehreren zivilrechtlich selbstständigen Geschäftsanteilen bestehen. Daher wird ein Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von GmbH-Beteiligungen anteilsbezogen, d.h. für jeden gehaltenen Geschäftsanteil separat, ermittelt. Davon abzugrenzen ist die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit. Für deren Beurteilung ist stets auf den aus der gesamten Beteiligung erzielbaren Totalgewinn abzustellen.
Sachverhalt:
Die Kläger waren Ehegatten, die für 2015 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin gründete 2015 die A-GmbH und übernahm nach einer ebenfalls im Jahr 2015 erfolgten Kapitalerhöhung einen neu geschaffenen Geschäftsanteil gegen Zahlung des entsprechenden Nennbetrages sowie eines Agios (Aufgeld) in Höhe von EUR 500.000. Noch im selben Jahr veräußerte die Klägerin einen Teil (300 Stück) der im Rahmen der Gründung der Gesellschaft ausgegebenen („alten“) Geschäftsanteile sowie den im Rahmen der Kapitalerhöhung geschaffenen neuen Geschäftsanteil an ihren Ehemann. Aus der Veräußerung erklärte sie in der Einkommensteuererklärung für 2015 einen – nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60 % abzugsfähigen – Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, der sich insbesondere aus dem für den neuen Geschäftsanteil geleisteten Agio ergab. Das Finanzamt folgte dem nicht und erkannte den aufgrund des gezahlten Agios entstandenen Veräußerungsverlust nicht an, da es insoweit an einer Gewinnerzielungsabsicht fehle. Im Übrigen ermittelte es im Rahmen einer separierenden Betrachtungsweise einen Veräußerungsgewinn, den es der Besteuerung zugrunde legte. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt.
Entscheidung:
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts und wies die Revision als unbegründet zurück. Bei den Einkünften aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen sei im Regelfall von einer Gewinnerzielungsabsicht auszugehen. Dies gelte auch bei einer nur kurzen Haltedauer, da der Anwendungsbereich der Regelung bereits dann eröffnet sei, wenn die Beteiligung zu irgendeinem Zeitpunkt in den vergangenen fünf Jahren mindestens 1 % betragen hat. Das Gericht hob hervor, dass sich die Gewinnerzielungsabsicht stets auf die gesamte Beteiligung an der Kapitalgesellschaft beziehen müsse. Zudem sei es notwendig, die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht nicht allein anhand des Gewinns nur einer Periode vorzunehmen. Vielmehr sei für die Beurteilung der Totalgewinn heranzuziehen, d. h. in die Beurteilung seien nicht nur die Wertsteigerungen der Anteile, sondern auch Gewinnausschüttung aus der gesamten Beteiligung einzubeziehen. Dagegen seien Veräußerungsverluste (oder -gewinne) aufgrund der zivilrechtlichen Selbstständigkeit der Geschäftsanteile stets anteilsbezogen zu ermitteln. Mit Blick auf das Streitjahr folge daraus, dass ein für einen bestimmten Geschäftsanteil geleistetes Agio als Anschaffungskosten dieses Geschäftsanteils qualifiziere und zu einem abzugsfähigen Verlust führen könne. Der Bundesfinanzhof stellte ferner klar, dass die Zahlung eines hohen Agios für den Erwerb des „neuen“ Geschäftsanteils und dessen anschließende Veräußerung zu einem fremdüblichen Preis nicht als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten anzusehen sei. Die gewählte Gestaltung sei nicht unangemessen, da es dem Steuerpflichtigen grundsätzlich freistehe, Veräußerungsgeschäfte zu gestalten und einen Veräußerungsverlust steuerlich geltend zu machen.
Hinweis:
Der Urteilsfall zeigt, dass Beteiligungen an Kapitalgesellschaften auch gezielt mit Verlust veräußert werden können, um dadurch einen steuerlichen Vorteil zu generieren. Voraussetzung ist, dass der Veräußerungspreis nach dem Fremdvergleichsgrundsatz ermittelt wird, insbesondere also nicht unangemessen niedrig ist. Einen Gestaltungsmissbrauch erkennt der Bundesfinanzhof darin nicht. Zu beachten ist, dass der Gesetzgeber mit Wirkung zum 31. Juli 2019 die Berücksichtigung eines geleisteten Agios neu geregelt hat. Ein solches ist bei der Ermittlung der Anschaffungskosten nunmehr auf die Gesamtheit der Geschäftsanteile zu verteilen. Die Zuordnung zu einem ganz bestimmten Geschäftsanteil ist daher nicht mehr möglich.