Gleichbehandlungsgrundsatz
Was ist das? Wie gehen Sie damit um?
Was war passiert?
Der Kläger ist seit November 2014 für die Beklagte tätig, zuletzt seit August 2015 als Leiter des Bereichs Finanzen und Controlling im Geschäftsbereich Waffe und Munition. Laut Arbeitsvertrag gehört der Kläger zum Kreis der „leitenden Führungskräfte“ der Beklagten.
Die Beklagte beteiligt ihre Führungskräfte auf Grundlage des „Long-Term Incentive Programms für inländische Führungskräfte des R-Konzerns“ (LTI-Programm) an der Unternehmensentwicklung. Die Teilnahme an diesem Programm wird jährlich neu entschieden und zugesagt. Der Kläger erhielt in den Jahren 2015 und 2016 Zahlungen und Aktien aus diesem Programm, jedoch nicht in den Jahren 2017 und 2018.
Im November 2016 stellte die Beklagte den Kläger frei und bot ihm einen Aufhebungsvertrag an, den der Kläger jedoch ablehnte. In den folgenden Jahren erhielt der Kläger keine Leistungen aus dem LTI-Programm, obwohl er behauptet, dass anderen vergleichbaren Führungskräften solche Leistungen zugesagt wurden.
Der Kläger verlangte über eine Stufenklage zunächst Auskunft über die Bemessungsgrundlagen für Zahlungen aus dem LTI-Programm für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 und in einem weiteren Antrag die Auszahlung der sich daraus ergebenden Beträge.
Wie entschied das BAG?
Das BAG entschied zugunsten des Klägers und hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen auf. Das LAG hatte zuvor die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass ein Auskunftsanspruch des Klägers nicht in Betracht komme, weil es keine materielle Grundlage für den Leistungsanspruch gibt. Es fehle an einer individuellen Zusage für die Jahre 2017 und 2018 und die Teilnahme am „LTI-Programm“ sei eine freiwillige Leistung gewesen.
Das BAG war jedoch der Ansicht, dass das LAG die Anforderungen an die Darlegungslast für den Auskunftsanspruch des Klägers überspannt habe. Nach Auffassung des BAG war die Klage zulässig und der Auskunftsanspruch begründet. Der Kläger habe hinreichend dargelegt, dass er zu den leitenden Führungskräften gehöre und vergleichbare Arbeitnehmer in den Jahren 2017 und 2018 Leistungen aus dem LTI-Programm erhalten hätten.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Der Kläger hat seinen Leistungsanspruch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt, der durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.1 Grundgesetz (GG) bestimmt wird.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein zentrales Prinzip im deutschen Arbeitsrecht, das durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt wird. Dieser Grundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer gleich zu behandeln, wenn diese sich in vergleichbarer Lage befinden.
Definition und Bedeutung
Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht besagt, dass Arbeitnehmer, die sich in vergleichbaren Situationen befinden, nicht willkürlich unterschiedlich behandelt werden dürfen. Dies bedeutet, dass alle Arbeitnehmer, die die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen erfüllen, gleich behandelt werden müssen, insbesondere bei der Vergütung und den Arbeitsbedingungen. Der Grundsatz soll sicherstellen, dass keine ungerechtfertigten Unterschiede gemacht werden und alle Arbeitnehmer fair und gerecht behandelt werden.
Anwendung im vorliegenden Fall
Der Kläger argumentierte, dass er zu den Führungskräften gehöre, die Leistungen nach dem LTI-Programm erhalten haben, und nannte 13 vergleichbare Personen, die für 2017 und 2018 Leistungen aus dem LTI-Programm erhalten haben.
Das BAG betonte, dass der Kläger ausreichend dargelegt habe, dass er zu den anspruchsberechtigten Führungskräften gehöre und somit ein Auskunftsanspruch gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestehe.
Darlegungs- und Beweislast
Grundsätzlich trägt der Anspruch stellende Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Er muss die Voraussetzungen des Anspruchs auf Gleichbehandlung darlegen und vergleichbare Arbeitnehmer nennen, die ihm gegenüber vorteilhaft behandelt wurden.
Sofern der Arbeitnehmer dies getan hat, muss dann der Arbeitgeber diesen Behauptungen zur Gruppenbildung substanziiert entgegentreten und darlegen, wie groß der begünstigte Personenkreis ist, wie er sich zusammensetzt, wie er abgegrenzt ist und warum der klagende Arbeitnehmer nicht dazugehört.
Das BAG stellt klar, dass der Kläger einen Anspruch auf Auskunft hat, um seinen Leistungsanspruch beziffern zu können. Nach Ansicht des BAG hat das LAG im zugrundeliegenden Fall die Darlegungslast des Klägers falsch beurteilt hat.
Bedeutung für die Praxis
Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der betrieblichen Vergütungssysteme und den Umgang mit freiwilligen Leistungen durch Arbeitgeber. Das BAG stellt noch einmal klar, dass allein der Umstand, dass die Leistung einer Sondervergütung durch den Arbeitgeber freiwillig erfolgt und in den Vorjahren mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen war, der Bindung an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht entgegensteht.
Es stellt klar, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gilt, wenn diese nach bestimmten Kriterien an eine Gruppe von Arbeitnehmern vergeben werden. Arbeitgeber müssen daher sicherstellen, dass ihre Vergütungssysteme transparent und nachvollziehbar sind und dass sie bei der Verteilung von Leistungen keine willkürlichen oder sachfremden Unterschiede machen.
Zudem zeigt das Urteil die Bedeutung der Darlegungslast im Rahmen von Auskunftsansprüchen auf. Arbeitnehmer, die glauben, ungleich behandelt zu werden, müssen vergleichbare Fälle benennen, während der Arbeitgeber darlegen muss, warum eine Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Dies stärkt die Position von Arbeitnehmern bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche und fördert die Gleichbehandlung im Unternehmen.
Insgesamt verdeutlicht das Urteil, dass Transparenz und Fairness in betrieblichen Vergütungssystemen essenziell sind und dass Arbeitgeber sorgfältig darauf achten müssen, keine diskriminierenden Praktiken anzuwenden.
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