
Information zum Steueroasen-Abwehrgesetz
Was ist das Steueroasen-Abwehrgesetz?
Zweck des Gesetzes ist es, mit Blick auf einen fairen Steuerwettbewerb zwischen den Staaten und die Steuervermeidung durch grenzüberschreitend tätige Steuerpflichtige sogenannte Steueroasen zur Einhaltung international anerkannter Standards zu bewegen. Das Gesetz stellt die nationale Umsetzung einer Initiative der EU dar. Als Steueroasen gelten dabei alle Staaten und Gebiete, die auf der sogenannten schwarzen Liste nicht kooperativer Steuerhoheitsgebiete der EU stehen; diese Liste wird zweimal pro Jahr aktualisiert.
Konkrete Gründe für die Aufnahme eines Staates auf die schwarze Liste können etwa die Beibehaltung schädlicher Steuerregime in der nationalen Steuerrechtsordnung (z. B. Vorzugsregime für bestimmte Einkünfte oder die Begünstigung von Holdingstrukturen) oder ein fehlender automatischer Informationsaustausch mit EU-Mitgliedstaaten sein. Allerdings ist die schwarze Liste der EU nicht unmittelbar rechtswirksam. Vielmehr setzt der deutsche Gesetzgeber die schwarze Liste erst über die Steueroasen-Abwehrverordnung in nationales Recht um, die aktuell folgende Steuerhoheitsgebiete erfasst:
1. Amerikanische Jungferninseln (seit dem 24. Dezember 2021)
2. Amerikanisch-Samoa (seit dem 24. Dezember 2021),
3. Anguilla (seit dem 21. Dezember 2022),
4. Antigua und Barbuda (seit dem 20. Dezember 2023),
5. Bahamas (seit dem 21. Dezember 2022),
6. Belize (seit dem 20. Dezember 2023),
7. Fidschi (seit dem 24. Dezember 2021),
8. Guam (seit dem 24. Dezember 2021),
9. Palau (seit dem 24. Dezember 2021),
10. Panama (seit dem 24. Dezember 2021),
11. Russische Föderation (seit dem 20. Dezember 2023),
12. Samoa (seit dem 24. Dezember 2021),
13. Seychellen (seit dem 20. Dezember 2023),
14. Trinidad und Tobago (seit dem 24. Dezember 2021),
15. Turks- und Caicosinseln (seit dem 21. Dezember 2022),
16. Vanuatu (seit dem 24. Dezember 2021).
Zudem werden Steuerhoheitsgebiete wie z. B. Hongkong, Vietnam, Israel und die Türkei auf der sogenannten grauen Liste der EU geführt. Für diese Staaten gelten die im Steueroasen-Abwehrgesetz vorgesehenen Maßnahmen zwar nicht. Eine Aufnahme dieser Gebiete in die schwarze Liste der EU und in der Folge auch in die Steueroasen-Abwehrverordnung kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Welche Abwehrmaßnahmen sind vorgesehen?
a) Allgemeines
Die (aktualisierte) Steueroasen-Abwehrverordnung ist seit dem 1. Januar 2024 anwendbar. Betroffen sind alle Steuerpflichtigen (natürliche Personen wie Gesellschaften), die Geschäftsbeziehungen zu in einer Steueroase ansässigen Unternehmen bzw. Betriebsstätten des eigenen Unternehmens unterhalten oder Beteiligungen an in einer Steueroase ansässigen Unternehmen halten.
Die Rechtsfolgen umfassen verschiedene Maßnahmen, die z. B. auf die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs oder die Erhebung von Quellensteuern abzielen. Auf einen bestimmten Geschäftsvorgang kommt allerdings stets nur eine Abwehrmaßnahme zur Anwendung. Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung sind nicht anwendbar, soweit sie der Anwendung der Abwehrmaßnahmen des Steueroasen-Abwehrgesetzes entgegenstehen.
Die Rechtsfolgen der am 20. Dezember 2023 verabschiedeten Neufassung der Verordnung sind grundsätzlich seit dem 1. Januar 2024 anwendbar. Dem Zweck des Gesetzes entsprechend, sind allerdings nicht alle vorgesehenen Maßnahmen unmittelbar anzuwenden. Die Anwendbarkeit der einzelnen Maßnahmen folgt vielmehr einem Stufenmodell.
b) Maßnahmen der ersten Stufe
Sofort, d.h. ab dem dem Zeitpunkt der Aufnahme eines Gebietes in die Steueroasen-Abwehrverordnung folgenden 1. Januar, sind auf Geschäftsbeziehungen und Beteiligungsverhältnisse in Bezug auf betroffene Gebiete folgende Maßnahmen anzuwenden:
Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG)
Die „reguläre“ Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7-12 AStG) erfasst passive Einkünfte (z. B. Erträge aus Zinsen, Portfoliobeteiligungen, bestimmte konzerninterne Dienstleistungen), die ein unbeschränkt Steuerpflichtiger über eine beherrschte ausländische Gesellschaft im niedrig besteuernden Ausland erzielt, und führt diese in Deutschland der Besteuerung zu. Eine Niedrigbesteuerung liegt seit dem 1. Januar 2024 bei einem Steuersatz von weniger als 15 % vor. Nach § 9 StAbwG kommt es zur Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung auch im Fall von (niedrig besteuerten) aktiven Einkünften (z.B. Produktion, alle Dienstleistungen).
Quellensteuermaßnahmen (§ 10 StAbwG)
Die Vorschrift führt zu einer Erweiterung der Definition der inländischen Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 49 EStG), die in einer Steueroase ansässige beschränkt Steuerpflichtige in Deutschland erzielen. Dies betrifft bestimmte Einkünfte aus
- Finanzierungsbeziehungen (z.B. Darlehensverhältnisse, Finanzierungsleasing),
- Versicherungs- und Rückversicherungsprämien,
- der Erbringung von sonstigen Dienstleistungen,
- dem Handel mit Waren oder den vorgenannten Dienstleistungen; oder
- aus der Vermietung und Verpachtung oder der Veräußerung von Rechten, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind.
Das neue BMF-Schreiben konkretisiert die Geschäftsvorfälle, die nach Ansicht der Finanzverwaltung zu o.g. Einkünften gehören. Sofern solche Einkünfte nicht ohnehin zu inländischen Einkünften (§ 49 EStG) führen, sondern nur in den Anwendungsbereich des § 10 StAbwG fallen, unterliegen sie einem Steuerabzugsverfahren. Der Steuersatz beträgt 15 %.
c) Maßnahmen der zweiten Stufe
Erst ab Beginn des dritten Jahres nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung ist auf Geschäftsbeziehungen und Beteiligungsverhältnisse in Bezug auf betroffene Gebiete die folgende Maßnahme anzuwenden:
Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen (§ 11 StAbwG)
Die (vollständige oder partielle) Steuerbefreiung für Gewinnausschüttungen wird nicht gewährt, wenn die ausschüttende Gesellschaft in einer Steueroase ansässig ist. Ebenso wird im Fall der Anteilsveräußerung die Steuerbefreiung versagt. Nicht entscheidend ist, ob die Beteiligung an der Steueroasen-Tochtergesellschaft unmittelbar oder mittelbar über eine zwischengeschaltete, im Drittstaat ansässige Gesellschaft gehalten wird. Zu beachten ist, dass die Regelung gegenüber §§ 8 und 10 StAbwG nachrangig ist.
d) Maßnahmen der dritten Stufe
Erst ab Beginn des vierten Jahres nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung ist auf Geschäftsbeziehungen und Beteiligungsverhältnisse in Bezug auf betroffene Gebiete die folgende Maßnahme anzuwenden:
Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs (§ 8 StAbwG)
Nach dieser Vorschrift dürfen Aufwendungen aus Geschäftsvorgängen zu in Steueroasen ansässigen Unternehmen den Gewinn nicht mindern. Dies gilt allerdings insoweit nicht, als dass die den Aufwendungen entsprechenden oder aus den Aufwendungen resultierenden Erträge in Deutschland der Besteuerung unterliegen.
Welche Dokumentationspflichten erwarten die Steuerpflichtigen?
Das Steueroasen-Abwehrgesetz sieht gesteigerte Mitwirkungspflichten des in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen hinsichtlich der Dokumentation der betroffenen Geschäftsvorgänge vor. Erfreulicherweise wird im neuen BMF-Schreiben klargestellt, dass die zusätzlichen Dokumentationspflichten nur greifen, wenn eine der Abwehrmaßnahmen einschlägig ist. Die gesteigerten Mitwirkungspflichten umfassen unter anderem die Erstellung von Aufzeichnungen über die Geschäftsbeziehung (Übersicht über Art und Umfang), die zugrunde liegenden Verträge, die ausgeübten Funktionen, die Geschäftsstrategien und die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse. Die Aufzeichnungen sind spätestens ein Jahr nach Ablauf des betreffenden Kalenderjahres zu erstellen und an das zuständige Finanzamt zu übermitteln.