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Rechtsberatung
eingezeichnetes Grundstück auf Grünfläche

Lastenfrei heißt nicht irgendwann

BGH klärt Verkäuferpflichten beim Immobilienverkauf

Ein nahezu für jeden Grundstückserwerber relevantes Thema beim Grundstückskauf ist die Löschung „alter“, voreingetragener Belastungen, insbesondere alter Grundpfandrechte des Voreigentümers (vorliegend wird vorrangig auf die zu löschenden Grundpfandrechte in Abteilung III Bezug genommen, wobei nachfolgende Ausführungen grundsätzlich auch für andere Belastungen im Grundbuch, bspw. Dienstbarkeiten in Abteilung II, Bedeutung haben können).

Ein lastenfreies Grundstück – also ein Grundbuch ohne alte Grundschulden oder Hypotheken des Voreigentümers – ist für die meisten Käufer und deren Finanzierer essenziell, das Bestehenbleiben alter Grundpfandrechte werden diese bereits wegen der eigenen Finanzierungszwecke für den Kaufpreis nicht akzeptieren können. Regelmäßig wird daher im Kaufvertrag – neben der Eintragung von Finanzierungsgrundpfandrechten – geregelt, dass der Kaufpreis erst gezahlt werden muss, wenn der Notar unter anderem bestätigt, dass alle nötigen Unterlagen, insbesondere zur Löschung der „Alt-Grundpfandrechte“ vorliegen. Doch was passiert, wenn sich dieser Schritt verzögert – etwa weil der Verkäufer oder dessen Gläubiger nicht (rechtzeitig) liefern?

Lange war in der Rechtsprechung und juristischen Literatur nicht abschließend geklärt, ob den Verkäufer in diesem Fall eine echte erfolgsbezogene Pflicht für die Übergabe der Löschungsunterlagen trifft oder ob dieser sich nur „bemühen“ muss, diese Unterlagen beizubringen, jedoch ohne einen Erfolg dafür zu schulden.

Im Wesentlichen standen sich hier drei Meinungen gegenüber:

Die „Bemühen reicht“-Fraktion:

Einige Gerichte und Stimmen in der Literatur waren der Auffassung: Der Verkäufer erfüllt seine Pflicht schon dann, wenn er nach Vertragsschluss aktiv wird, den Notar beauftragt und alles tut, um die Löschungsunterlagen schnellstmöglich zu beschaffen. Dass diese dann vielleicht verspätet oder gar nicht eintreffen – etwa weil ein Grundschuldbrief verloren geht – könne ihm nicht angelastet werden. Dies hatte dann unter anderem zur Folge, dass ein schwebend-wirksamer Grundstückskaufvertrag bestand, der jedoch nicht, jedenfalls nicht zeitnah, vollzogen werden konnte. Rücktrittsrechte der Parteien waren in diesem zeitlichen Zusammenhang zumindest fraglich.

Die „Erfolgspflicht“-Auffassung:

Andere vertraten eine deutlich strengere Linie: Wer sich im Kaufvertrag verpflichtet, eine lastenfreie Immobilie zu liefern, muss sicherstellen, dass die dazu nötigen Unterlagen – wie etwa der Grundschuldbrief oder ein Löschungsbeschluss – dem Notar fristgerecht vorliegen. Nur gutes Zureden reicht nicht. Kommt es also zu Verzögerungen, haftet der Verkäufer – es sei denn, er kann nachweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Auch bei dieser Auffassung bleibt jedoch offen, was „fristgerecht“ konkret bedeuten soll, wenn die Parteien keine klaren Regelungen dazu im Kaufvertrag aufgenommen haben (in der Literatur und Rechtsprechung werden Fristen von vier bis sechs Wochen unter „normalen Umständen“ für angemessen gehalten; Besonderheiten bei der Lastenfreistellung können sich z.B. durch Einbeziehung ausländischer Grundpfandrechtsgläubiger ergeben).

Die „Zweistufige Lösung“:

Eine vermittelnde Ansicht versuchte beide Auffassungen in Einklang zu bringen: Erst muss sich der Verkäufer bemühen – und wenn sich abzeichnet, dass der Notar die Unterlagen nicht beibringen kann, muss der Verkäufer selbst aktiv werden, um die Sache zu lösen. In diesem Zeitpunkt würde sich dann die vormalige Bemühens-Pflicht zu einer echten Erfolgspflicht wandeln mit den entsprechenden Rechtsfolgen bei Ausbleiben.

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 20.12.2024 – V ZR 41/23) hat diese Streitfrage nunmehr allerdings in Richtung der zweiten Auffassung eindeutig beantwortet:

In seinem Urteil vom 20.12.2024 (V ZR 41/23) stellt der Bundesgerichtshof klar: Entscheidend ist der Erfolg. Wenn – wie so oft – im Kaufvertrag geregelt ist, dass der Kaufpreis erst fällig wird, wenn die Löschungsunterlagen vorliegen („Direktzahlungsmodell“), dann muss der Verkäufer diese auch innerhalb einer angemessenen Frist beibringen. Nur so wird die Lastenfreistellung tatsächlich gesichert.

Dabei handelt es sich nach dem BGH gerade nicht nur um ein bloßes „Bemühen“, sondern um eine zentrale Vertragspflicht des Verkäufers – ein notwendiger Baustein der lastenfreien Übereignung. Und: Wer hier nicht liefert, verletzt damit seine vertragliche Hauptpflicht.

🕓 Wie lange hat der Verkäufer nun Zeit?

Eine konkrete gesetzliche Frist gibt es nicht, aber vier bis acht Wochen gelten in der Praxis weiterhin als üblicher Maßstab (keine lange Zeit bei ggf. komplexen Sachverhalten mit ausländischen Grundpfandrechtsgläubigern!). Wird bspw. ein Grundschuldbrief vermisst (so im entschiedenen BGH, Urteil vom 20.12.2024 – V ZR 41/2) kann es zudem deutlich länger dauern, hier ist dann zunächst ein zusätzliches gerichtliches Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung des Grundschuldbriefes erforderlich (dies nimmt einige Zeit in Anspruch, auch wenn es eine Mindestfrist für Grundpfandrechte von sechs Monaten nicht mehr gibt, vgl. § 476 FamFG) – doch auch hier zählt: Der Verkäufer muss alles Erforderliche in Gang setzen, damit es nicht zu unnötigen Verzögerungen kommt und er muss fristgerecht liefern.

⚖️ Was heißt das für die Praxis?

Lastenfreiheit ist kein „vages Zukunftsversprechen“, sondern eine ernst zu nehmende Vertragspflicht. Eine klare und eindeutige Regelung ist angesichts der neuen BGH-Rechtsprechung nicht nur für den Verkäufer sinnvoll; auch ein Käufer wird wissen wollen, wann sich der Verkäufer tatsächlich im Verzug mit der Lastenfreistellung befindet. Hiervon können dann in der Folge Rücktritts- und ggf. auch (Verzugs-)Schadensersatzansprüche abhängen. Verkäufer und auch Käufer sollten daher in ihrem Vertrag das Thema Lastenfreistellung nicht auf die leichte Schulter nehmen und anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Spätestens im Rahmen der Beurkundung sollte die Aufnahme eindeutiger Regelungen im Kaufvertrag zwingend gefordert werden (z.B. durch Aufnahme eines sog. „Long-Stop-Dates“ für die Beibringung von Löschungsunterlagen und/oder sonstigen Fälligkeitsvoraussetzungen aus dem Kaufvertrag; die von der Rechtsprechung angenommenen vier bis sechs Wochen unter normalen Umständen sind weiterhin vage und lassen unliebsame Ergebnisse zu). Bei fehlender klarer Regelung im Vertrag kann es bei Problemen mit den Lastenfreistellungsunterlagen zu einem mehrwöchigen oder sogar mehrmonatigen Schwebezustand kommen. Ein solcher ist für alle Beteiligten, einschließlich dem beurkundenden Notar, unbefriedigend, da hierdurch der Vollzug oder eine Rückabwicklung blockiert wird und sich damit große Rechtsunsicherheit ob der Wirksamkeit des geschlossenen Vertrages ergibt.

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