Nachrichtendienst eines Immobilienportals ist elektronische Post gem. § 7 II Nr. 3 UWG (aF)
Unter den Begriff der elektronischen Post im Sinne des § 7 II Nr. 3 UWG a.F. (Nr. 2 n.F.) fallen neben E-Mails, SMS und MMS und sämtlichen Nachrichten über Social Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp auch der Nachrichten-dienst eines Immobilienportals, wenn Nachrichten asynchron übermittelt und auf dem Server des jeweiligen Portalbetreibers für den jeweiligen Inserenten gespeichert werden, bis dieser sie abruft. Die Nachrichten erreichen den Nutzer in seinem eingerichteten und lediglich privat zugänglichen Postfach, das er über einen Nachrichten-Manager abrufen kann. Dementsprechend handelt es sich gleichermaßen um eine Art elektronischen Brief-kasten. Angesichts des Schutzzwecks des Art. 13 I RL 2002/58/EG kann daher für Nachrichten über Immobilienportale nichts anderes gelten als für Nachrichten über Social Media-Dienste (oder per E-Mail). (Rn. 35 – 36). (Leitsatz des Gerichts)
OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 3.5.2023 – 18 U 154/22, GRUR-RS 2023, 15211 – Makler-Akquise-Vereinbarung
Sachverhalt
Die Haupttätigkeit der Klägerin besteht darin, potentielle Immobilienverkäufer, die Anzeigen ohne Angabe einer Telefonnummer geschaltet hatten (Chiffre-Anzeigen), mit der Bitte um Bekanntgabe der Telefonnummer anzuschreiben. Bei Anzeigen im Internet über die Portale (z. B. Immobilienscout) schreibt sie dazu an die Inserenten über das Kontaktformular des Portals. Ziel der Klägerin ist es, den Inserenten telefonisch nach der Erlaubnis zu fragen, dass sich ihr Vertragspartner – der Immobilienmakler – wegen der beabsichtigten Veräußerung der Immobilie telefonisch melden darf.
Über die Erbringung dieser Opt-In-Leistung (Dienstleistung Chiffre-Kontakt) hatte die Klägerin mit der Beklagten, einer Immobilienmaklerin, eine entgeltliche Akquise-Vereinbarung geschlossen. Die Beklagte kündigte den Vertrag, nachdem von ihr angerufene Verkäufer mehrfach mitgeteilt hatten, ihnen sei nicht bekannt gewesen, dass sich ein Makler mit Vermarktungsinteresse melden werde, sondern dass sie nur die Information erhalten hätten, es werde sich jemand wegen der Immobilie melden. Von der Klägerin gestellten Rechnun-gen widersprach die Beklagte.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung in Anspruch. Nach Abweisung der Klage in der ersten Instanz verfolgt sie ihre Ansprüche in der Berufung weiter.
Entscheidung
Das OLG weist mit seinem Hinweisbeschluss darauf hin, dass es die Berufung mangels Aussicht auf Erfolg gem. § 522 II 1 ZPO zurückzuweisen beabsichtigt. Die Klägerin könne aus der Akquise-Vereinbarung keine Rechte herleiten, da diese gem. § 134 BGB nichtig sei. Der Ver-trag verpflichte zur Begehung unlauteren Wettbewerbs, denn er sei mit der Dienstleistung Chiffre-Kontakt da-rauf gerichtet, unzulässige geschäftliche Handlungen nach § 7 II Nr. 3 UWG aF (Nr. 2 nF) durchzuführen und verpflichte damit zu einem wettbewerbswidrigen Han-deln. Die erstmalige Kontaktierung der Inserenten über die Kontaktformulare der Internet-Portale durch die Klägerin gemäß der Akquise-Vereinbarung verstoße gegen § 7 II Nr. 3 UWG aF, weil die Inserenten die dafür erforderliche vorherige ausdrückliche Einwilligung nicht erteilt hätten. Der unionsrechtskonform in Ein-klang mit Artt. 2 S. 2 lit. h, 13 I der RL 2002/58/EG (EK-DSRL- Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommu-nikation) auszulegende Begriff der „elektronischen Post“ umfasse „jede über ein öffentliches Kommunikati-onsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnach-richt, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird“. Durch die Bestimmung in Art. 13 I RL 2002/58/EG sollen die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für die Zwecke der Direktwerbung geschützt werden. Diese könne aber nicht nur durch im Wege der klassischen Formen der elektronischen Individualkommunikation wie E-Mail, SMS oder MMS übersandten unerbetenen Nachrichten beeinträchtigt werden. Daher fielen unter den Begriff der elektronischen Post im Sinne des § 7 II Nr. 3 UWG a.F. auch nicht nur sämtliche Nachrichten über Social Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp, sondern auch der Nachrichtendienst eines Immobilienportals. Denn die Funktionsweise des Postfachs sei dieselbe: Auch hier würden Nachrichten asynchron übermittelt und auf dem Server des jeweili-gen Portalbetreibers für den jeweiligen Inserenten ge-speichert, bis dieser sie abrufe. Die Nachrichten er-reichten den Nutzer in seinem eingerichteten und ledig-lich privat zugänglichen Postfach, das er über einen Nachrichtenmanager abrufen kann. Damit handele es sich um eine Art elektronischen Briefkasten, und es könne nichts anderes gelten als für Nachrichten über Social-Media-Dienste oder per E-Mail. Ohne Belang sei, entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht, dass die Nachricht der Klägerin den Inserenten nicht „direkt“, sondern über den Server des jeweiligen Inter-netportals erreiche. Damit handele es sich um Werbung per elektronischer Post, und mangels ausdrücklicher Einwilligung der Inserenten um ein wettbewerbswidri-ges Verhalten gem. § 7 II Nr. 3 UWG a.F. Die Verschaf-fung der sog. Opt-Ins erfolge also unter Verstoß gegen das UWG.
Praxishinweis
Der Beschluss des OLG führt die bereits seit längerem in Rechtsprechung und Literatur etablierte weite, dynamische und technikneutrale Auslegung des Begriffs der „elektronischen Post“ im Sinne des § 7 II Nr. 3 UWG a.F. (wortgleich mit § 7 II Nr. 2 UWG nF) fort (vgl. BGH GRUR 2020, 420 – Inbox-Werbung I; BGH GRUR 2022, 995 [997] – Inbox-Werbung II = GRUR-Prax 2022, 417 [Martel]); EuGH GRUR 2022, 87 [89] – StWL/eprimo [Inbox-Werbung] = GRUR-Prax 2021, 720 [Schoene]; OLG Nürnberg GRUR-RR 2019, 170 [174] – Inbox-Werbung = GRUR-Prax 2019, 121 [Spittka]) fort. Die Subsumierung auch von Nachrichtendiensten von (an-deren) Internet-Portalen als Social Media – hier: Immobillienportale – folgt überzeugend und konsequent dem BGH, der in seiner Entscheidung Inbox-Werbung II klar-stellte, dass die in Art. 13 I RL 2002/58/EG aufgeführte Liste der unter diese Bestimmung fallenden elektronischen Kommunikationsmittel nicht abschließend, sondern aus technologischer Sicht entwicklungsfähig und weit auszulegen sei.