
OLG Frankfurt begräbt die D&O-Versicherung?
Das OLG Frankfurt am Main hat zu Beginn des Jahres zwei Urteile gesprochen, welche Geschäftsführer, Vorstände und Insolvenzverwalter ratlos zurücklassen (OLG Frankfurt a. M. Urteil vom 5.3.2025 – 7 U 134/23 und OLG Frankfurt a. M. Beschluss vom 16.1.2025 – 7 W 20/24). In beiden Fällen ging es um die Deckungspflicht der D&O-Versicherung für Haftungsansprüche gegen die geschäftsführenden Organe wegen nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteter Zahlungen. Das OLG hat eine Deckungspflicht der D&O-Versicherung jeweils verneint, da die geschäftsführenden Organe aufgrund der verspäteten Insolvenzantragstellung eine „Kardinalpflicht“ verletzt hätten. Die Organmitglieder haben die Finanzlage der Gesellschaft laufend zu überprüfen. Organmitglieder, die gleichermaßen „blind in die Krise segeln“, und trotz Insolvenzantragspflicht den zwingenden Insolvenzantrag nicht stellen, sei versicherungsrechtlich die Verletzung einer Kardinalpflicht vorzuwerfen, die das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung indiziere. Folge der wissentlichen Pflichtverletzung ist, dass der in den Versicherungsbedingungen enthaltene Risikoausschluss greift und die D&O-Versicherung von ihrer Deckungspflicht befreit ist.
Die Wertung des OLG nimmt den Geschäftsführern und Vorständen bei verspäteter Insolvenzantragstellung mithin faktisch den Versicherungsschutz. Eine Deckungspflicht bestünde nur noch dann, wenn den Organmitgliedern kein Verschulden vorzuwerfen wäre. Dann aber besteht schon keine Haftung. Das dieses Ergebnis nicht vertretbar ist, wird mit Blick in das Gesetz deutlich. Danach reicht einfache Fahrlässigkeit zum einen aus, damit sich das Organmitglied bei nicht rechtzeitiger Insolvenzantragstellung strafbar macht (§ 15b Abs. 4, 5 InsO). Zum anderen genügt die Fahrlässigkeit, um die in § 15b Abs. 4 S. 1 InsO angeordnete Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife zu begründen. Dagegen schließen sich Fahrlässigkeit und versicherungsrechtliche Wissentlichkeit aus. Der automatische Rückschluss der Verletzung der Insolvenzantragspflicht auf eine wissentliche Pflichtverletzung findet damit schon keine Stütze im Gesetz und erfolgt insofern unzulässigerweise zu Lasten der Organmitglieder. Diesen bzw. dem klagenden Insolvenzverwalter obliegt es nach dem OLG, das Indiz der Wissentlichkeit zu widerlegen, obwohl die Versicherung für die den Risikoausschluss begründenden Tatsachen, mithin für die Wissentlichkeit darlegungs- und beweisbelastet ist. Nach der Rechtsauffassung des OLG wird eine Widerlegung der indizierten Wissentlichkeit wohl kaum gelingen.
Es gibt jedoch noch Hoffnung, dass die Entscheidungen des OLG aufgehoben und der Versicherungsschutz wiederhergestellt wird. Nach Revisionszulassung zumindest in einem Verfahren hat nun der BGH die Rechtsfrage zu entscheiden. Organmitglieder sollten ungeachtet dieser widersprüchlichen Rechtsprechung die Finanzlage der Gesellschaft sowie ihre darauf beruhenden Entscheidungen stets sorgfältig dokumentieren. Insolvenzverwaltern ist einstweilen zu raten, bei der Geltendmachung der Organhaftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife kein zu düsteres Bild von der Krise der Schuldnerin zu zeichnen. Weiter sollte der Insolvenzverwalter schon bei der Ermittlung der Haftungsansprüche auf Tatsachen achten, die der Widerlegung einer nach dem OLG indizierten Wissentlichkeit dienen können.