Schlechte Bewertung des Arbeitgebers im Internet – was nun?
Bisher war gerichtlich weitgehend ungeklärt, wie Arbeitgeber gegen fragwürdige Rezensionen vorgehen können.
Gerade bei schlechten Rezensionen stellt sich zuweilen die Frage, ob die Rezension echt ist – also von einem Arbeitnehmer oder Bewerber stammt – oder ob hier ein Konkurrent oder unzufriedener Kunde sich eine Arbeitnehmerbewertung ausgedacht hat, um das Unternehmen zu diskreditieren.
Nun hat eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamburg (Beschl. v. 09.02.2024, Az. 7 W 11/24) eine neue Klarheit in die Handlungsmöglichkeiten der Arbeitgeber gebracht.
Was war passiert?
Ein Unternehmen mit ca. 22 Mitarbeitenden sah sich negativer Bewertungen auf dem bekannten Bewertungsportal „Kununu“ ausgesetzt. Zwei dieser Bewertungen sah das Unternehmen als ungerechtfertigt an. Es schrieb an die Bewertungsplattform, dass zu diesen zwei anonymen Rezensenten kein geschäftlicher Kontakt bestanden habe und verlange die Löschung der Rezensionen. Die Bewertungsplattform forderte das Unternehmen auf, die pauschal behauptete unwahre Tatsachenbehauptung bzw. Rechtsverletzung zu belegen, worauf das Unternehmen nicht reagierte. Die Rezension wurde nicht gelöscht.
Mittels einstweiliger Verfügung versuchte das Unternehmen sodann, beim Landgericht Hamburg eine Löschung der Bewertungen zu erreichen. Daraufhin kontaktierte Kununu die Rezensenten und überprüfte anhand deren Angaben den geschäftlichen Kontakt. Dem Unternehmen wurden die vermeintlichen Nachweise zum geschäftlichen Kontakt allerdings nur anonymisiert zur Verfügung gestellt.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens wies das Landgericht Hamburg die einstweilige Verfügung zurück. Das Unternehmen legte daraufhin eine sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Hamburg ein, welches dieser stattgab.
Entscheidung des OLG Hamburg
Das OLG Hamburg untersagte der Bewertungsplattform im Wege der einstweiligen Verfügung, die beiden Bewertungen weiterhin zu veröffentlichen. Es ergebe sich ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB sowie dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG.
Das OLG schloss sich dem Bundesgerichtshof an, der bereits in anderen Zusammenhängen festgestellt hat, dass Betreiber von Internetplattformen als „mittelbare Störer“ für beanstandete Bewertungen haften, wenn und soweit die jeweilige Beanstandung hinreichend konkret verfasst und damit eine Rechtsverletzung für den Plattformbetreiber unschwer erkennbar sei. Es sei dabei in der Regel zunächst hinreichend konkret, sich auf einen fehlenden Geschäftskontakt zu berufen, bis der Verfasser der Bewertung dem Unternehmen gegenüber so individualisiert wird, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontakts überprüfen kann. Die eigene Überprüfung des Vorliegens eines geschäftlichen Kontakts dürfe dem Unternehmen nicht genommen werden, da es sonst keine Möglichkeit hätte, sich z.B. gegen Fake-Bewertungen zu wehren.
Bedeutung für die Praxis
Arbeitgeber haben nun eine gute Chance, sich gegen negative Bewertungen dergestalt zu wehren, dass dem jeweiligen Plattformbetreiber ein fehlender „geschäftlicher Kontakt“ zu dem Rezensenten mitgeteilt wird. Selbst wenn ein geschäftlicher Kontakt tatsächlich vorgelegen haben sollte, ist derzeit davon auszugehen, dass die Plattformbetreiber die Rezension trotzdem löschen, solange sie den Verfasser der Bewertungen gegenüber dem Unternehmen nicht identifizierbar machen wollen, können oder dürfen.
Anders als in den Überschriften mancher Presseartikel auf den ersten Blick zu entnehmen war, wurde Kununu vom OLG Hamburg jedoch nicht verpflichtet, die Klarnamen der Rezensenten zu offenbaren. Die Offenbarung der Klarnamen wäre nur erforderlich gewesen, um die Echtheit der Rezensionen nachzuweisen, um der Verpflichtung zur Löschung zu entgehen.
Die Berufung auf den fehlenden geschäftlichen Kontakt ist daher kein Garant für eine Löschung der Rezension. Denkbar ist auch, dass Bewertungsplattformen in Einzelfällen die Klarnamen offenbaren, z.B. wenn die Rezensenten hierzu ihre ausdrückliche Zustimmung erteilt haben. Doch auch dies kann für Arbeitgeber von Vorteil sein. So können Arbeitgeber in diesem Fall tatsächlich prüfen, ob ein geschäftlicher Kontakt vorgelegen hat, oder nicht. Ist dies nicht der Fall, muss die Bewertung ebenfalls gelöscht werden. Hat ein geschäftlicher Kontakt hingegen tatsächlich vorgelegen, können Arbeitgeber zumindest prüfen, ob die Bewertung wahrheitsgemäß verfasst wurde. Auch könnten in diesem Zusammenhang Ansprüche auf Schadensersatz oder Unterlassung sowie die Strafbarkeit bestimmter z.B. verleumderischer Angaben geprüft werden.
Ausblick
Die Entscheidung des OLG Hamburg ist ein Meilenstein für die Reputation sämtlicher Arbeitgeber im Internet. Arbeitnehmer und sonstige Rezensenten werden in Kenntnis dieser neuen Rechtsprechung zweimal überlegen, ob sie eine negative Bewertung abgeben, wenn – auch wenn insoweit durch das Gericht keine Verpflichtung per se ausgesprochen wurde – der jeweilige Plattformbetreiber möglicherweise die Klarnamen herausgeben könnte. Nicht zuletzt wurden den Arbeitgebern nun neue, effektive Werkzeuge für die Abwehr unberechtigter und zuweilen geschäftsschädigender Internetbewertungen in die Hand gegeben, denn selbst der pauschale Einwand des fehlenden Geschäftskontakts könnte nun in vielen Fällen ausreichend sein, um das Löschen einer negativen Rezension zu erwirken.
Noch ist das letzte Wort jedoch nicht gesprochen. Die Entscheidung des OLG Hamburg war eine vorläufige Entscheidung im Rahmen eines Eilverfahrens. In dem dazugehörigen Hauptverfahren, welches Kununu laut eigenen Angaben weiterverfolgen will, gibt es bisher kein Urteil. Zudem ist es wahrscheinlich, dass Kununu im Falle des Unterliegens im Hauptsacheverfahren ein Rechtsmittel einlegt, um in der nächsthöheren Instanz nach Möglichkeit zu obsiegen
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