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Rechtsberatung
Frau am nießen mit Taschentuch vor Laptop
von
Katharina Messer

Welche Pflichten treffen den Arbeitnehmer bei Krankheit?

Die Anzeige- und Nachweispflichten unter Berücksichtigung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Mit dem Dritten Bürokratieentlastungsgesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft hat der Gesetzgeber Ende 2019 die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (kurz: eAU) entschieden. Ziel dabei war es, den bürokratischen Aufwand für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu reduzieren. 

Was genau ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU):

Bei der eAU gibt es keinen Krankenschein in Papierform mehr. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird elektronisch durch den behandelnden Arzt an die Krankenkasse des Arbeitnehmers übermittelt.

Für wen gilt das eAU-Verfahren:

Das eAU-Verfahren gilt nur für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer. In den folgenden Fällen ist aktuell noch keine digitale Bescheinigung möglich und das eAU-Verfahren findet somit keine Anwendung:

  • Krankheit eines Kindes (Kinderkrankengeld)
  • Privatversicherte Beschäftigte
  • AU-Bescheinigungen aus dem Ausland
  • Minijobs in Privathaushalten

Hier bleibt es bei dem altbekannten Verfahren.

Pflichten des Arbeitnehmers im Rahmen des eAU-Verfahrens:

Dem Arbeitnehmer bleiben trotz Einführung der eAU weiterhin Pflichten erhalten. 

Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, so ist er gesetzlich sowie regelmäßig auch arbeitsvertraglich verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Arbeitgeber mitzuteilen und bei mindestens dreitägiger Dauer zusätzlich am darauffolgenden vierten Tag nachzuweisen, § 5 Abs. 1 EFZG. 

Den Arbeitnehmer treffen insofern zwei Pflichten, die rechtlich unabhängig voneinander sind. 

Einerseits die Anzeigepflicht, also die rechtzeitige und vollständige Mittelung der Arbeitsunfähigkeit, und andererseits die Nachweispflicht, also die Pflicht zur Vorlage einer AU-Bescheinigung zum Nachweis der tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit. 

Keine Auswirkungen auf die Anzeigepflichten:

Die Anzeigepflicht des Arbeitnehmers besteht nach wie vor in derselben Weise fort.

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Arbeitgeber mitzuteilen, § 5 Abs. 1 EFZG. Ihn treffen damit nach wie vor alle Hinweis- und Informationspflichten.

Dies bedeutet: 

Inhaltlich muss der Arbeitnehmer lediglich mitteilen, dass er arbeitsunfähig erkrankt ist, er braucht hierbei nicht die Krankheit zu benennen. Dabei muss er aber zumindest die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit mitteilen. Hintergrund ist, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit haben muss, entsprechend disponieren zu können.

Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber oder die von ihm bestimmte Stelle über seine Arbeitsunfähigkeit informieren.

Besondere Formvorschriften für die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit existieren jedoch nicht, sie ist also mündlich oder schriftlich möglich, sofern nicht arbeitsvertraglich oder betrieblich etwas anderes vereinbart oder vorgegeben wurde.

Unverzüglich bedeutet, „ohne schuldhaftes Zögern“ und heißt, so bald wie möglich.

Liegen keine besonderen Umstände vor, so muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit und in den ersten Betriebsstunden (also nicht zwingend individueller Arbeitsbeginn) informieren, wenn möglich also auch bereits vor Beginn der persönlichen Arbeitszeit. Ist er selbst dazu nicht in der Lage, so muss er einen Dritten dazu bemühen. 

Eine schriftliche Anzeige, die erst am nächsten Tag beim Arbeitgeber eingeht, genügt im Regelfall nicht. 

Zeigt der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit nicht oder verspätet an, so stellt dies eine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar.

Änderungen bei den Nachweispflichten:

Nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregelungen des § 3 EFZG obliegt es den Arbeitnehmern, den Nachweis über ihre Arbeitsunfähigkeit zu erbringen. Gesetzlich trifft den Arbeitnehmer ab dem vierten Tag diese Nachweispflicht. Hieran ändert sich also auch durch die Einführung der eAU erstmal nichts.

Der Arbeitgeber kann aber bereits früher den Nachweis durch Bescheinigung, also beispielsweise ab dem ersten Tag, verlangen. 

Den Nachweis erbringt der Arbeitnehmer, in dem ihm von seinem behandelnden Arzt eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt wird.

Vor dem 01.01.2023 erhielt der Arbeitnehmer von seinem Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform, die er selbst seinem Arbeitgeber zukommen lassen musste. 

Seit dem 01.01.2023 sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die eAU selbst elektronisch bei den Krankenkassen abzurufen. Es entfällt damit nach dem neuen Verfahren grundsätzlich nur die Verpflichtung zur Vorlage einer Bescheinigung durch den Arbeitnehmer beim Arbeitgeber.

Der Arzt leitet die Daten an die Krankenkasse des Arbeitnehmers weiter. Dazu muss der Arbeitgeber eine Schnittstelle zu seiner Software einrichten, womit er diese Daten dann abrufen kann.

Im Unterschied zu früher ist der Arbeitnehmer nur noch verpflichtet, von einem Arzt die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen zu lassen (Feststellungspflicht). Der Arbeitnehmer ist aber nicht mehr verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Bescheinigung vorzulegen.

Gesetzliche Fixierung:

Durch die Einführung der eAU wurde § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG durch die Regelung aus § 5 Abs. 1a S. 2 EFZG für Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse ergänzt und lautet nun:

 „Diese sind verpflichtet, (…), das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen und sich eine ärztliche Bescheinigung nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 aushändigen zu lassen“.

Systematisch wird damit das Wort vorzulegen aus § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG, genauer gesagt die Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung durch die bloße Pflicht zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und der Aushändigung einer entsprechenden Bescheinigung, ersetzt. Mit dieser Bescheinigung meint § 5 Abs. 1a S. 2 EFZG jedoch lediglich die Ausfertigung für den versicherten Arbeitnehmer selbst.

Störfälle:

Wie so oft bei der Einführung neuer Systeme kommt es in der Praxis oft zu Störungen. Solche Fälle führen aber keinesfalls dazu, dass den Arbeitnehmer keine Nachweispflichten treffen.

Dass der Arbeitnehmer seiner Nachweispflicht nachgekommen ist und das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen hat lassen, muss für den Arbeitgeber überprüfbar sein.

Sollte ein Störfall vorliegen und infolgedessen keine entsprechende Benachrichtigung der Krankenkasse beim Arbeitgeber eingegangen sein, obliegt es dem Arbeitnehmer dennoch, die Krankheit und deren Ursächlichkeit für die Arbeitsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen, § 3 EFZG (s.o.). 

Der Nachweis kann dann vom Arbeitnehmer zum Beispiel durch die Vorlage der dem Arbeitnehmer ausgestellten ärztlichen Bescheinigung (Ausfertigung Versicherte) erfolgen. Vertrauliche Daten, wie zum Beispiel Diagnosen, sind durch den Arbeitnehmer dann zu schwärzen.

Arbeitsrechtliche Sanktionen:

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Arbeitgeber für den Fall, dass der Arbeitnehmer seine dargestellten Anzeige- oder Nachweispflicht verletzt, einerseits die Zahlung des Entgelts entsprechend § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG verweigern kann. 

Andererseits kommt insbesondere bei wiederholten Verstößen gegen die Anzeige- und Nachweispflichten auch eine Abmahnung in Betracht, sowie bei im Einzelfall eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Voraussetzungen sind jedoch stets im Einzelfall zu prüfen.

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