Formen der Bürgerbeteiligung und das EEG 2017 bei Windenergieprojekten
Einführung
Bürgerenergieprojekte sind spätestens seit dem EEG 2014 im Aufwind und Teil energiepolitischer Diskussionen. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen von Windparks auf das Landschaftsbild ist es neben der finanziellen Beteiligung von Bürgern an dem Ausbau der Erneuerbaren Energien Ziel der Bürgerbeteiligung, eine erhöhte Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen. Mittlerweile hat sich eine Vielzahl an Formen der Bürgerbeteiligung entwickelt, die nachfolgend überblicksartig dargestellt werden. Neben den allgemeinen rechtlichen Vorgaben zur Verwirklichung von Windenergieprojekten gibt es besondere Regelungen – insbesondere nach dem EEG 2017 für Bürgerenergiegesellschaften – auf die anschließend näher eingegangen wird.
Formen der Bürgerbeteiligung
Die Bandbreite von Beteiligungsmodellen ist groß und mag auf den ersten Blick undurchsichtig erscheinen. Sie reicht von sogenannten Miteigentumslösungen, bei denen mehrere Anleger Eigentümer einer EE-Anlage werden, über gesellschaftsrechtliche und schuldrechtliche Gestaltungen, bis hin zu öffentlich-rechtlichen Varianten, wie zum Beispiel kommunalen Zweckverbänden, die auch Bürgern offen stehen können. Folgende Modelle haben sich in der Praxis etabliert:
- Genossenschaftliche Beteiligung (eG): Bürgerenergiegenossenschaften, häufig aus Bürgerinitiativen heraus gebildet, bei denen sich in einem örtlich begrenzten Gebiet Grundstückseigentümer zur gemeinsamen Errichtung und Nutzung von EE-Anlagen zusammentun. Die Mitglieder sind gleichberechtigte Genossen und profitieren von attraktiver Verzinsung. Die Geschäftsanteile sind in der Regel so bemessen, dass sich auch weniger finanzstarke Bürger beteiligen können. Attraktiv ist die eG in Fällen, in denen die Kommune – vor allem kleinere Gemeinden und Landkreise – zwar die lokale Erzeugung von Erneuerbaren Energien fördern möchte, dabei allerdings den Aufwand für die Errichtung eines kommunalwirtschaftlich beherrschten EE-Erzeugungsunternehmens vermeiden will.
- Gesellschaftliche Beteiligung (GmbH & Co. KG): Bürgerbeteiligung durch Kapitaleinlage ohne Haftungsübernahme. Die Haftung liegt bei der GmbH. Die gesellschaftliche Beteiligung wird seit geraumer Zeit vor allem von Landwirten für gemeinschaftliche EE-Projekte genutzt, um die Eigentümer umliegender Grundstücke an den Windenergieanlagen zu beteiligen. Mittlerweile sind auch kommunalwirtschaftliche Unternehmen verstärkt beteiligt. Geeignet ist die gesellschaftliche Beteiligung vor allem für größere Projekte, bei denen die Organisationsstruktur mit zentraler Führungsverantwortung zum Tragen kommt.
- Schuldrechtliche Beteiligung: Die Bürger überlassen einer bestehenden Gesellschaft - gegen eine entweder festgelegte oder gewinnabhängige Verzinsung - Kapital (Darlehen, Inhaberschuldverschreibungen, Genussrechte). Neben der Finanzierungsfunktion stehen die Kundenbindung und Kundengewinnung im Vordergrund. Die schuldrechtliche Beteiligung ist für größere Stadtwerke, die ihre Geschäftstätigkeit im Bereich der Energieversorgung um die EE-Erzeugung ergänzt haben bzw. ergänzen möchten, attraktiv. Der Vorteil für den beteiligten Bürger liegt darin, dass er keine Gesellschafterstellung innehat und eine individuelle Abstimmung des Umfangs sowie der Modalitäten der Beteiligungen möglich ist.
Rechtlicher Rahmen: EEG 2017
Bei der Auswahl und Umsetzung von Bürgerbeteiligungsmodellen sind rechtliche, steuerliche und betriebswirtschaftliche Fragen zu klären. Die rechtlichen Fragen betreffen vor allem das EEG, das kommunale Wirtschaftsrecht, das Vergaberecht sowie das Bank- und Kapitalmarktrecht. Hier soll allein das EEG 2017 näher beleuchtet werden.
Im Jahr 2014 stellte der Gesetzgeber mit der Änderung des EEG die Förderung von Erneuerbaren Energien für Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf ein Ausschreibungssystem um.
Nach dem EEG 2017 soll – entgegen der bisherigen Zielsetzung - eine Ausschreibungspflicht für alle Erneuerbaren Energien und die gesamte Erzeugungskapazität aus Erneuerbaren Energien eingeführt – die Förderung für Windenergie an Land und auf See, für große Photovoltaikanlagen und bestimmte Biomasseanlagen ausgeschrieben werden. Die Ausschreibung ist als „objektives, transparentes, diskriminierungsfreies und wettbewerbliches Verfahren zur Bestimmung der Höhe der finanziellen Förderung“ definiert. Auch wenn der Begriff „Ausschreibung“ dies nahelegt, handelt es sich bei dem Ausschreibungsverfahren nach dem EEG nicht um ein Verfahren, welches dem Vergaberechtsregime des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterliegt. Grund hierfür ist, dass der Staat nicht als Nachfrager einer Leistung auftritt, auch wenn mit der Bundesnetzagentur eine staatliche Stelle das Verfahren koordiniert. Mit der Umstellung der Förderung auf das Ausschreibungsmodell können nur noch diejenigen Anlagenbetreiber einer neu in Betrieb genommenen Anlage eine Förderung erhalten, die im Rahmen der Ausschreibung den Zuschlag erhalten haben und somit über eine Förderberechtigung verfügen. Eine wesentliche Zielsetzung von Ausschreibungen muss dabei sein, dass diese Form der Förderung nicht zu einer Bevorzugung bestimmter Akteure führt.
Mit dem EEG 2017 wird zunächst einmal Klarheit geschaffen, indem dort der Begriff Bürgerenergiegesellschaft definiert ist (§ 3 Nr. 15 EEG)*[1] . Wozu die Definition im EEG 2017? Das EEG 2017 sieht Privilegierungen für Bürgerenergiegesellschaften im Ausschreibungsverfahren für Windenergie an Land vor. Mittels der Definition werden dadurch nicht nur Abgrenzungen, sondern aufgrund der Festlegung gleichzeitig auch Be- und Eingrenzungen vollzogen und damit Rechtssicherheit geschaffen. Mit dem Ziel, die Akteursvielfalt zu erhalten, ist das allgemeine Ausschreibungsverfahren nunmehr in den §§ 28 ff. EEG 2017 geregelt. Die Akteursvielfalt soll unter anderem durch Einführung einer Bagatellgrenze von einer Leistung bis zu 750 MW, einem Vorzug von kleineren Gebotsmengen und eben der Ausnahme für Bürgerenergiegesellschaften gesichert werden. In diesen Fällen müssen Windenergieanlagen nicht an Ausschreibungsverfahren teilnehmen. Darüber hinaus sieht § 36g EEG 2017 vor, dass Bürgerenergiegesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorlegen müssen, die Sicherheitsleistung auf die Angebotsabgabe sowie auf den Zeitpunkt nach Erteilung der Genehmigung gesplittet werden kann und das Einheitspreisverfahren gilt. Schließlich steht es den Ländern frei, weitergehende Regelungen zur Bürgerbeteiligung und Steigerung der Akzeptanz für den Bau von neuen Windenergieanlagen zu erlassen.
Neben den vorgenannten Erleichterungen enthält das EEG 2017 auch eine besondere Verpflichtung für Bürgerenergiegesellschaften: Die regelmäßige 30-monatige Inbetriebnahmepflicht wird für Bürgerenergiegesellschaften um weitere 24 Monate verlängert. Zudem wird der Zuschlag zunächst für den gesamten Landkreis erteilt, für den das Gebot abgegeben wurde. Damit können die Anlagen im gesamten Landkreis realisiert werden und der Zuschlag ist zunächst nicht standortgebunden. Innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der BImSchG-Genehmigung müssen die Bürgerenergiegesellschaften jedoch den Standort festlegen. Zudem müssen Bürgerenergiegesellschaften den Gemeinden, in denen die Windenergieanlage errichtet werden soll, zumindest eine finanzielle Beteiligung anbieten.
Bewertung und Ausblick
Die Ankündigung des Gesetzgebers, das Ausschreibungsmodell nach den Freiflächen-Photovoltaikanlagen auf weitere Erneuerbare Energien auszuweiten, hatte zunächst zu Befürchtungen geführt, dass dies negative Auswirkungen auf die Akteursvielfalt haben würde. Mit der Definition und Privilegierung der Bürgerenergiegesellschaft im EEG 2017 ist aber ein begrüßenswerter Weg eingeschlagen worden, um die Akteursvielfalt sicherzustellen und die Akzeptanz von Windenergieprojekten in der Bevölkerung zu fördern. Es ist zu erwarten, dass von dieser Privilegierung in erheblichem Umfang Gebrauch gemacht wird und die Energiewende damit – auf viele Schultern verteilt – weiter vorangetrieben werden kann.
Bei Fragen wenden Sie sich gerne an unsere Experten, Herrn Dr. Christian Kahle, LL.M. (Rechtsanwalt) und Frau Gesa Krohn (Rechtsanwältin).
* [1] Bürgerenergiegesellschaften sind jede Gesellschaft,
a) die aus mindestens zehn natürlichen Personen als stimmberechtigten Mitgliedern oder stimmberechtigten Anteilseignern besteht,
b) bei der mindestens 51 Prozent der Stimmrechte bei natürlichen Personen liegen, die seit mindestens einem Jahr vor der Gebotsabgabe in der kreisfreien Stadt oder dem Landkreis, in der oder dem die geplante Windenergieanlage an Land errichtet werden soll, […] mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet sind, und
c) bei der kein Mitglied oder Anteilseigner der Gesellschaft mehr als 10 % der Stimmrechte an der Gesellschaft hält […].