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Großer Senat verwirft Sanierungserlass

BFH, Beschluss v. 28.11.2016 - GrS 1/15; Pressemitteilung des BFH v. 7.2.2017

10.02.2017

Einführung

Ein Sanierungsgewinn, der dadurch entsteht, dass Schulden zur Sanierung des Unternehmens ganz oder teilweise vom Gläubiger erlassen werden, erhöht das Betriebsvermögen und ist grundsätzlich steuerbar. Bis zum Veranlagungszeitraum 1997 waren Sanierungsgewinne in voller Höhe steuerfrei. Voraussetzung war die Sanierungs-bedürftigkeit des Unternehmens, der volle oder teilweise Erlass seiner Schulden, die insoweit bestehende Sanierungsabsicht der Gläubiger sowie die Sanierungseignung des Schuldenerlasses. Seit Aufhebung der einschlägigen Vor-schrift durch das Unternehmenssteuerreformgesetz aus dem Jahr 1997 ist ein Sanierungsgewinn demgegenüber grund-sätzlich steuerpflichtig. Eine Steuerbefreiung solcher Sanierungsgewinne kann nur durch Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall erreicht werden. In dem sog. Sanierungserlass, der sich auf die Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung stützt, hat das Bundesfinanzministerium in einer allgemein-verbindlichen Verwaltungsanweisung geregelt, dass Ertrag-steuern auf einen Sanierungsgewinn unter ähnlichen Voraussetzungen wie unter der früheren Rechtslage erlassen werden können. Liegt ein Sanierungsplan vor, wird davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Eine Prüfung im Einzelfall, ob persönliche oder sachliche Billigkeitsgründe vorliegen, findet nicht mehr statt.
 

Beschluss des Großen Senats 

In dem lang erwarteten Beschluss des Großen Senats führten die Richter des Bundesfinanzhofs nunmehr aus: Der Sanierungserlass verstößt gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Dass Sanierungsgewinne der Einkommen- oder Körperschaft¬steuer unterliegen sollen, hat der Gesetzgeber im Jahr 1997 ausdrücklich entschieden, indem er die bis dahin hierfür geltende gesetzliche Steuerbefreiung abgeschafft hat. Der Finanzverwaltung ist es verwehrt, diese Gewinne aufgrund eigener Entscheidung gleichwohl von der Besteuerung zu befreien. Sie verstößt gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, indem sie mit dem Sanierungs¬erlass die Besteuerung eines trotz Ausschöpfung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinns unter Bedingungen, die der damaligen gesetzlichen Steuerbefreiung ähnlich sind, allgemein als sachlich unbillig erklärt und von der Besteuerung ausnimmt. Die im Sanierungserlass aufgestellten Voraussetzungen für einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen beschreiben keinen Fall sachlicher Unbilligkeit i.S. der Billigkeitsregelungen der Abgaben¬ordnung. Mit der Schaffung typisierender Regelungen für einen Steuererlass außerhalb der nach den gesetzlichen Billigkeitsregelungen im Einzelfall möglichen Billigkeitsmaßnahmen nimmt das Bundesfinanzministerium eine strukturelle Gesetzeskorrektur vor und verletzt damit das sowohl verfassungsrechtlich als auch einfachrechtlich normierte Legalitätsprinzip. 


Hinweis

Aus der Entscheidung des Großen Senats folgt nicht, dass Billigkeitsmaßnahmen auf der Grundlage einer bundesweit geltenden Verwaltungsanweisung generell unzulässig sind. Vorauszusetzung ist nur, dass in jedem davon betroffenen Einzelfall tatsächlich ein Billigkeitsgrund für die Ausnahme von der Besteuerung vorliegt. Die Entscheidung des Großen Senats steht auch nicht einem im Einzelfall möglichen Erlass von Steuern auf einen Sanierungsgewinn aus persönlichen Billigkeitsgründen entgegen. Auf der Grundlage des Beschlusses des Großen Senats ist davon auszugehen, dass finanzgerichtliche Klagen auf Gewährung einer Steuerbegünstigung nach dem Sanierungserlass keinen Erfolg mehr haben werden. Unberührt bleiben individuelle Billigkeitsmaßnahmen, die auf besonderen, außerhalb des Sanierungserlasses liegenden Gründen des Einzelfalls wie etwa auf persönlichen Billigkeitsgründen beruhen.