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Neuregelung der Tonnagesteuer verfassungswidrig?

06.12.2022

Das Bundesverfassungsgericht soll klären, ob § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG in der Fassung des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (AbzStEnt­ModG) vom 2. Juni 2021 insoweit verfassungswidrig ist, als darin die rückwirkende Anwendung des § 5a Abs. 4 Sätze 5 bis 7 Einkommensteuergesetz (EstG) in der Fassung des AbzStEnt­ModG für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1998 beginnen, angeordnet wird. Darum bittet das Finanzgericht Hamburg.

Großes Konfliktpotential im Bereich der sogenannten Tonnagesteuer nach § 5a EStG beinhaltete seit Einführung 1999 der Unterschiedsbetrag. Dieser wird bei der erstmaligen Anwendung der pauschalen Gewinnermittlung nach der Tonnage vom Finanzamt für jedes dem Schiffsbetrieb unmittelbar dienende Wirtschaftsgut und für jeden Mitunternehmer gesondert festgestellt. Zielsetzung des Unterschiedsbetrags ist es, die vor dem Wechsel zur Tonnagebesteuerung angesammelten stillen Reserven für eine Besteuerung zu sichern. Die Unterschiedsbeträge müssen versteuert werden, wenn z. B. ein Mitunternehmer aus der Gesellschaft ausscheidet oder das Schiff verkauft wird.

Seit dem Jahr 2019 entscheidet der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung hinsichtlich des Begriffs des Ausscheidens aus einer Schifffahrtsgesellschaft abweichend von der Auffassung der Finanzverwaltung. Dies kann zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die Auflösung des Unterschiedsbetrags haben. Nach Ansicht des BFH ist der Begriff des Ausscheidens weit zu verstehen und umfasst auch unentgeltliche Übertragungen im Wege der Schenkung oder eines Erbfalls. Im sogenannten Tonnagesteuererlass hatte die Finanzverwaltung diese nicht unter dem Begriff des Ausscheidens subsumiert und somit eine Übertragung auf den Rechtsnachfolger angenommen.

Mit dem AbzStEntModG vom 2. Juni 2021 hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung reagiert. Durch § 5a Abs.4 Sätze 5 bis 7 EStG in Verbindung mit § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG wird rückwirkend ab Einführung der Tonnagesteuer geregelt, dass bei Übertragungen eines Mitunternehmeranteils zum Buchwert nach § 6 Abs. 3 EStG, also unentgeltlich, der festgestellte Unterschiedsbetrag auf den Rechtsnachfolger übergehen soll. Die Besteuerung der in den Unterschiedsbeträgen enthaltenen stillen Reserven soll zeitlich verschoben und die bisherige Verwaltungsauffassung wiederhergestellt werden.

Mit Beschluss vom 24. August 2022 hat das Finanzgericht Hamburg nun das Bundesverfassungsgericht zu der Frage angerufen, ob § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG in der Fassung des AbzStEntModG insoweit verfassungswidrig ist, als darin die rückwirkende Anwendung des 5a Abs. 4 Sätze 5 bis 7 EStG für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 1998 beginnen, angeordnet wird. Der vorlegende Senat ist davon überzeugt, dass diese Rückwirkung gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstößt.

Gesellschaftern einer Personengesellschaft, die ihren Anteil durch eine Schenkung oder Erbschaft erworben haben und deren Unterschiedsbetrag in noch änderbaren Jahren aufgelöst wurde bzw. aufgrund Ausscheidens oder Verkauf des Schiffes aufgelöst wird, sollten prüfen lassen, ob gegen die Auflösung ein Rechtsbehelf vorteilhaft ist.

Für Fragen zu etwaigem Handlungsbedarf in dem vorgenannten Sachverhalt oder zu anderen Themen im Bereich Schifffahrt oder maritime Wirtschaft hat BRL eine Praxisgruppe mit Experten etabliert, die Antworten und Handlungsvorschläge gibt.